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HARVARD COLLEGE LIBRARY
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.VORSCHULE
DER
AESTHETIK^
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VON \V
GUSTAV THEODOR FECHNER.
ERSTES THEIL.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & llÄRTEL.
1876,
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Das Cebersetzungsrechl in fremde Sprachen vorbehalten.
Vorwort.
Der Begriff einer Vorschule der Aesthetik ist ein ziemlich nn* bestimmter, wie sich aus dem Vergleich der, bisher unter diesem Titel erschienenen, Werke ergiebt, als von Jean Paul (1. Aufl. 1804, 8. Aufl. 4813 u. s. w.), von Rüge (2. Aufl. 1837), von Eckardt (1863—64), von Egger (1872). Ohne mich nun zu bemühen, diese Unbestimmtheit zu klären oder zu flxiren, benutze ich dieselbe hier nur, um dieser Schrift einen kurzen ansprechen- den Titel in folgender Bedeutung zu geben.
Sie wird in zwei Theilen eine Reihe Aufsätze ästhetischen Inhalts ohne systematische Folge und in freierer Behandlung, als für ein System der Aesthetik geeignet wäre , bieten , welche aber doch geeignet sein dürften, in ein allgemeineres Interesse an dieser Lehre einzuführen. Also werden sie zwar sehr allgemeine Fragen^ aber diese doch mit steter Anwendung auf speciale Verhältnisse, behandeln , auf solche auch zum Theil in besondern Abschnitten eingehen und überall die Absicht auf leichte Verständlichkeit fest- halten.
In den zwei ersten ^ als Einleitung dienenden , Abschnitten erkläre ich mich über die Principien, die den gesammten Aus- führungen dieser Schrift zu Grunde liegen. Um sie vorweg in wenig Worte zusammenzufassen, so verzichtet diese Schrift auf den Versuch, das objective Wesen des Schönen begrifflich festzu- stellen, und von hier aus das System der Aesthetik zu entwickeln.
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sondern begnügt sich , den Begriff des Schönen als einen Hülfs- begriff im Sinne des Sprachgebrauches zur kurzen Bezeichnung dessen , was überwiegende Bedingungen unmittelbaren Gefallens vereinigt, zu verwenden, sucht den empirischen Bedingungen dieses Gefallens nachzugehen , legt hiemit das Hauptgewicht viel- mehr auf die Gesetze des Gefallens als auf begriffliche Entwicke- lungen aus der Definition des Schönen heraus, und ersetzt (nach S. 46 u. 856) den Begriff des sog. objectiv Schönen durch den Begriff'dessen, was mit Rücksicht auf seine Beziehung zum Guten unmittelbar gefallen soll.
Es wird sich freilich fragen , ob ich der Geneigtheit begegne, diesem Gange, der, entgegen dem sonst vorherrschenden Gange, vielmehr von Unten herauf als von Oben herab, und mehr ins Klare als ins Hohe führt, so stetig, als er hier eingeschlagen ist, zu fol- gen. Dass sich damit nicht Alles erreichen lässt, was man von einer Aestbetik wünschen kann, ist von mir zugestanden ; wogegen ich durch das Folgende selbst zu beweisen suche , dass man damit Manches erreichen kann , was eine Aesthetik hohem Stils in ihrem entgegengesetzten Gange noch zu wünschen übrig lässt. Mag man also, wenn nichts weiter, im Folgenden eine Ergänzung zu einer solchen suchen, und bedenken , dass es noch kein Fehler einer Schrift ist. Manches vermissen zu lassen, was in andern Schriften zu finden.
Obwohl die folgenden Aufsätze bestimmt sind, ihrerseits einander zu ergänzen, greifen sie doch auch hier und da mit ihrem
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Inhalt in einander über. Diess, und dass sie zum Theil unabhängig von einander entstanden sind, hat einige Wiederholungen mitge- führt, die man doch nicht sehr lästig finden dürfte, und die ich nicht überall durch Verweisungen habe ersparen wollen , um den Zusammenhang der Darstellung nicht zu brechen.
Der voriiegende erste Theil dieser Schrift beschäftigt sich nach Ausweis des Inhalts mit allgemeineren begrifllichen und gesetz- lichen Verhältnissen des ästhetischen Gebietes, darunter nament- lich mit Ausführungen und Anwendungen zweier Principien, welche
im 6. und 9. AbscboiU besonders besprochen sind, so wie mit den allgemeinen Principien des Geschmacks ; der zweite Tbeil wird auf allgemeinere Betrachtungen über Kunst, auf verschiedne Streit- fragen besttglich der Kunst, auf eine weitere Reibe ttsthetischer Gesetze und einige speciale Gegenstände eingehen.
Manche, die nur Notiz von meinen Schriften andrer Richtung genommen, mag es befremden, dass ich nach einer, durch so viele Jahre andern Fächern zugewandten , Thätigkeit schliesslich noch angelangen , mich mit Aeslhetik zu besdiSiftigen. Macht doch das Alter um so unreifer zu jeder neuen Beschäftigung, je reifer es seüiBt ist. Inzwischen ist es vielmehr das Ende als der Anfang einer Beschllftigung mit ttsthetischen Dingen , woraus diese Schrift erwadisen ist, einer Beschäftigung, die nicht immer blos Nebenbe- schäftigung war. Zum Belege davon^ um so zu sagen mein ästhe* tisches DiMistbuch vorzuzeigen, registrire ich hier kurz das, was bisher von mir in diesem Gebiete in die OeffentUchkeit getreten ist, ohne freilich in seiner Vereinzelung einen weiten Weg in die- selbe gefunden zu haben.
Im J. 1839 gab ich pseudonym (als Mises) ein, im Charakter der andern Misesschriftchen gehaltenes Schriftchen , DÜeber einige ttlder der zweiten Leipziger Kunstausstellung (Lpz. Voss}«, haupt- sächlich in Widerstreit gegen eine falsche Richtung derldealisirung, heraus, welches in der kttrzlidi (4875) erschienenen Sammlung der »Kleinen Schriften« von Mises mit aufgenommen ist. — Gegen die Uebertreibung des Principes des goldnen Schnittes habe ich einige experimentale Thatsachen in der Abhandlung «lieber die Frage des goldnen Schnittes« in Weigels Archiv 1865. 100 geltend gemacht. — In allgemeinerer Weise ist die Idee einer experimen- talen Aesthetik von mir in der, den Abhandlungen der sächs. Soc. d. Wiss. eingereihten, Schrift »Zur experimentalen Aesthetik« (Lpz. Hirzel 4874) vertreten, wozu eine Fortsetzung noch geliefert wer- den soll. In vorliegender Schrift ist im 44. Abschnitt eine Probe ihrer Ausführung gegeben. — »Ueber das ästhetische Associations- princip« ist eine Abhandlung von mir in Ltttzow^s Zeitschr. 4866
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enthalten, die man in einiger Erweiterung im 9. Abschnitte dieser Schrift wiederfinden wird. — An den hauptsächlich zwar histori- schen^ doch in das Aesthetische mit hineinspielenden, Streitfragen über die beiden Exemplare der schlechthin sogenannten Holbein'- schen Madonna habe ich mich in der Abhandlung »Der Streit über die beiden Madonnen von Holbeina im Grenzb. 1870. H, in dem Schriftchen »Ueber die Aechtheitsfrage der Holbein'schen Madonna« (Lpz. Br. u. H. 4871), und einigen Abhandlungen in Weigel's Arch. (1866 bis 1869] betheiligt. — Ein öffentliches ästhetisches Experiment mit dem Vergleiche dieser Exemplare ist von mir bei Gelegenheit der Holbeinausstellung im J. 1871 angestellt, worüber in der kleinen Schrift »Bericht über das auf der Dresdener Holbein- Ausstellung ausgelegte Album« (Lpz. Br. u. H. 1872) berichtet ist."^) — Endlich habe ich in verschiedenen Jahren Vorträge im Leipziger Kunstverein über einzelne ästhetische Fragen und an der Universität über allgemeine Aesthetik gehalten.
*) In mehrfachen öfTentlichen Beurtheiinngen obigen Experiments ist, in geradem Widerspruch mit dessen erklärter Absicht, theils durch Ucachtsam- keit der Beurtheiler, theils weil einer dem andern nachgeschrieben, das Ex- periment vielmehr auf die Aechtheitsfrage als auf die ästhetische Frage her- zogen werden, wogegen ich hier gelegentlich nochmals Verwahrung einlege^ da jene Beurtheilungen ganz geeignet sind , meine eigene Urtheiisfähigkeit in Frage zu stellen , und verbreiteter sein dürften als obiges , in der That wenig bekanntgewordenes, Schriftchen, welches den Sachverhalt des Experimentes darlegt.
Inhalt.
Seit«
1. Die Aesthetik von Oben und von Unt^n A
11, Vorbogriffe . • 7
4 ) Gefallen und Missfallen, Lust und Unlust 7
S] Aesthetische, praktische und theoretische Kategorieen.
Sch^n, Gut, Wahr. Werth. Interesse ....... 42
8) Aesthetiscb, Aesthetik 32
4] Eudämonistisches Princlp 88
ni. Aesthetische Gesetze oder Principe im Allgemeinen . .« . . 42
rv. Prtncip der ästhetischen Schwelle 49
V. Princip der ästhetischen Hülfe oder Steigerung 50
VI. Princip der einheitlichen Verknüpfung des Mannichfaltigen . . 58
4) Aufstellung des Principes 53
2} Beispiele 58
3) Sachliche Gonflicte und Hülfen 71
4) Nähere Bestimmungen 78
5} Allgemeinheit des Princips 77
Vn. Princip der Widerspruchslosigkeit, Einstimmigkeit oder Wahrheit 80 VIII. Princip der Klarheit. Zusammenfassung der drei obersten For-
malprincipe ^. 84
IX. Aesthetisches Associationsprincip 86
4) Eingang 86
2) Beispiele 87
3) Aufstellung des Principes 98
4) Association durch Aehnlichkeit 96
5) Ergänzende Association 97
^ 6} Zeitliche Association. Verstandes- und Gefüblsurtheile . 99
7} Associativer Charakter einfacher Farben, Formen, Lagen 4 00
8) Der Mensch als Centrum von Associationen 408
9) Analyse associirter Eindrücke. Bemerkungen über das schöpferische Vermögen der Phantasie 444
40) AUmälige Ausbildung des associirten Eindruckes . . . 4 44
4 4) Bas Princip in höherer Verwendung 4 45
42) Einige aligemeinere Betrachtungen 424
VIII
Seite
X. Erläuterung des landschaftlichen Eindrucks durch das Asso-
ciatlonsprincip 4S3
XI. Verhältniss zwischen Poesie und Malerei aus dem Gesichts-
puncte des Associationsprincipes ... * 486
XII. Physiognomische und instincUve Eindrücke 450
XIII. Vertretung «des directen Factors ästhetischer Eindrücke gegen- über dem associativen 4 57
4} Vorbemerkungen 487
S) Der directe Factor in der Musik 458
8} Der dirccte Factor in den Künsten dör Sichtbarkeit . . 477 ' XIV. Verschiedene Versuche, eine Grundform der Schönheit aufzu- stellen. Experimentale Aesthetik. Goldner Schnitt und Quadrat 484 .4] Versuche, eine Normal- oder Grundform der Schönheit
aufzustellen 484
S] Einwürfe, die sich |;egen die Nützlichkeit experimental- ästhetisoher Untersuchungen überhaupt erheben lassen, und Erledigung derselben 487
3) Methoden ästhetischer Experimental-Untersachung. Bei- spiel einer Ausführung der Methode der Wahl. Resultate insbesondre in Bezug auf goldnen Schnitt und Quadrat . 4 90
XV. Beziehung der Zweckmässigkeit zur Schönheit SOS-
XVI. Commentar zu einigen Aussprüchen Schnaase's in Sachen der
Architektur . .'^. . . . 140
XVII. Von sinnreichen und witzigen Vergleichen , Wortspielen und andern Fällen, welche den Charakter der Ergötzlichkeit, Lustig- keit, Lächerlichkeit tragen 224
XVIII. Vom Geschmack 284
4) Begriffliches 284
2] Streit des Geschmacks 286
8) Anlage, Bildung des Geschmacks 249
4) Principien des guten oder richtigen Geschmacks . . . 256
I. Die Aesthetik von Oben nnd von Unten.
Die doppelte Weise, wie sich die menschliche Erkenntniss zu befsründen und zu entwickeln strebt, macht sich auch in der Aesthetik, der Lehre vom Gefallen und Missfailen oder nach Andern der Lehre vom Schönen, geltend. Man behandelt sie nach einem kurzen Ausdrucke von Oben herab, indem man von allgemeinsten Ideen and Begriffen ausgehend zum Einzelnen ab- steigt, von Unten herauf, indem man vom Einzelnen zum Ailge- meinen aufsteigt. Dort ordnet man das ästhetische Erfahrungs- gebiet einem, von obersten Gesichtspuncten aus construirten, ideellen Rahmen nur ein und unter; hier baut man die ganze Aesthetik auf Grund ästhetischer Thatsachen und Gesetze von Unten an auf. Dort handelt es sich in erster und zugleich hoch- ster Instanz um die Ideen und Begriffe der Schönheit , der Kunst, des Stils, um ihre Stellung im System allgemeinster Begriffe, ins- besondre ihre Beziehung zum Wahren und Guten ; und gern steigt man damit bis zum Absoluten, zum Göttlichen, den göttlichen Ideen und der göttlichen Schöpferthatigkeit hinauf. Aus der rei- nen Höhe solcher Allgemeinheiten steigt man dann in das irdisch- empirisdie Gebiet des einzelnen , des zeitlich und örtlich Schönen herab, und misst alles Einzelne am Massstabe des Allgemeinen. Hier gebt man von Erfahrungen über das, was gefällt und niiss- fällt, aus, stützt hierauf alle Begriffe und Gesetze, die in der Aesthetik Platz zu greifen haben , sucht sie unter Mitrücksicht auf die allgemeinen Gesetze des Sollens, denen die des Gefallens immer untergeordnet bleiben müssen, mehr und mehr zu verall- gemeinem und dadurch zu einem System möglichst allgemeinster Begriffe und Gesetze zu gelangen.
Feeliii«r, YoTsehnle d. Aesthetik. {
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Beide BehandluDgsweisen lassen sich auch wohl als philo- sophische und empirische unterscheiden. An sich stehen sie nicht in Widerspruch mit einander, insofern eine richtige und vollendete Erkenntniss der obersten Principien des Seins, der göttlichen und menschlichen Dinge, auch die Principien einer richtigen Betrachtung der ästhetischen Verhältnisse einschiiessen muss, gegenseits eine richtige Verallgemeinerung der erfahrungs- mässigen Thatsachen und Gesetze des ästhetischen Gebietes in diese Erkenntnisse hineintreten muss. Beide durchmessen das- selbe Gebiet nur in entgegengesetzter Richtung; und überall er- gänzt sich die Möglichkeit der Bewegung in einer Richtung durch eine solche in entgegengesetzter Richtung. Es haben aber beide Wege ihre besondern Vortheile, Schwierigkeiten und Gefahren.
Der erste Weg stellt uns so zu sagen von vorn herein an das Ziel, dem man auf dem zweiten erst zustreben muss, gewährt von da aus den allgemeinsten Blick, die höchsten Gesichtspuncte ; aber man gelangt auf ihm schwer zu einer klaren Orientirung über die Gründe des Gefallens und Missfallens im' Einzelnen, um die es uns doch auch zu thun sein muss; es bleibt mehr oder weniger bei unbestimmt schwebenden , in ihrer Allgemeinheit das Ein- zelne nicht leicht scharf treffenden Begriffen. Dazu setzt dieser Weg, um richtig zu führen, einen richtigen Ausgang voraus, den man im Grunde nur in einem vollkommenen philosophischen und selbst theologischen Systeme finden kann, was wir beides noch nicht haben. Nur viele Versuche derselben haben wir, und so haben wir auch viele Versuche, die Aesthetik damit in Beziehung zu setzen, die alle noch viel zu wünschen übrig lassen, aber doch dem Bedürfniss allgemeinster und höchster Gesichtspuncte ent- gegenkommen, und, wenn sie dasselbe nicht vollständig befriedi- gen, doch beschäftigen und wach erhalten. Auch haben sich diese Nachtheile wie Vortheile in allen sehr zahlreichen Darstellungen der Aesthetik und Behandlungsweisen ästhetischer Fragen, welche in Abhängigkeit von Schelling, Hegel und selbst von Kant, die Richtung von Oben bisher eingeschlagen haben, mehr oder weniger fühlbar gemacht.
Der andre Weg hingegen , der Weg von Unten , gewährt oder verspricht wenigstens unmittelbar eine klare Orientirung nicht nur im Felde der Begriffe , welchen sich das Gebiet des Gefallens und Missfallens unterordnet, sondern auch über die Gründe des Gefallens
und Missfallens im Einzeloen und Nächsten; aber man gelangt auf ihm schwer zu allgemeinsten Gesichtspuncten und Ideen , bleibt leicht in Einzelnheiten, Einseitigkeiten, Gesichtspuncten von unter- geordnetem Werth und untergeordneter Tragweite befangen , wie sich diess namentlich bei den Engländern (als wieHutcheson. Ho- garth, Burke, Hay u. A.) zeigt, welche^vorzugsweise den Weg von Unten eingeschlagen haben.
Nach Vorstehendem werden überhaupt die Versuche, die seither mit Behandlung der Aesthetik im ersten Sinne gemacht sind , mehr den befriedigen können , welcher sein Hauptinteresse in der Unterordnung der Dinge unter allgemeinste Begriffe oder Ideen sucht, und in irgendwelcher Gestaltung derselben Befrie- digung findet, ohne die Ansprüche an Klarheit und Sachlichkeit hoher zu stellen, als ihnen nun eben genügt ist; indess ein Ver- such, die Aesthetik im zweiten Wege zu behandeln , mehr den zu befriedigen im Stande ist, dem es vor Allem auf eine leichte und klare Orientirung im Nächstliegenden ankommt, und der seiner- seits keine grössere Höhe und Allgemeinheit beansprucht, als bis zu der nun eben angestiegen ist. Im Allgemeinen kann man sagen, dass an eine Aesthetik von Oben sich von vorn herein höhere Ansprüche stellen, indess die Aesthetik von Unten die niedrigem, die an sie zu stellen, leichter befriedigt.
Soll nun überhaupt einmal eine Aesthetik von Oben zu Stande kommen, welche das recht leistet, was durch die bis- herigen Versuche derselben vielmehr angestrebt als erreicht wor- den ist, so wird meines Erachtens zu den höchsten und letzten PrincipieU; von denen auszugehen, selbst erst mittelst vorsichtigen langsamen Aufsteigens nicht nur durch das ästhetische Gebiet, son- dern alle Einzelgebiete menschlicher Erkenntniss unter Mitrück- sicht auf praktische Forderungen gelangt sein müssen. Von da wird sich dann allerdings wieder zu den einzelnen Erkenntniss- zweigen und durch sie hindurch absteigen lassen, wobei nicht nur jeder Erkenntnisskreis von selbst in Abhängigkeit von höheren Gesichtspuncten treten wird, als die sind, zu welchen im blos auf- steigenden Wege durch ihn allein hätte gelangt werden können : sondern auch sein Inhalt durch den Zusammenhang mit andern Erkenntnisszweigen noch in andrer Weise wird motivirt und er- l<iutert erscheinen, als auf dem aufsteigenden Wege ins Licht treten kann. Eine solche Aesthetik aus höherem Gesichtspuncte bleibt
aber eiue Sache der Zukunft, und die bisherigen Versuche der- selben sind vielmehr geeignet, die an sich gerechtfertigte Auf- gabe derselben zu bezeichnen und präsent zu erhalten, als zu erfüllen.
Es wird also zwar in demselben Sinne eine philosophische Aesthetik höheren Stils über der empirischen geben können, wie es eine Naturphilosophie über der Physik und Physiologie geben kann, wenn schon noch nicht giebt. Aber wie die rechte Naturphilosophie, auf die zu hoffen, diese Lehren nicht wird ersetzen oder aus einem aprioristischen Grunde herausgebären können, vielmehr derselben zur Voraussetzung und Unterlage bedürfen wird , ohne sich selbst in ihre Speciaiitäten zu verlieren, so steht es mit dem Verhältniss der philosophischen Aesthetik höheren Stils zur empirischen. Nun aber fehlt es leider noch gar zu sehr an der empirischen Unter- lage; und so scheinen mir alle unsre Systeme philosophischer Aesthetik Biesen mit tbönernen Füssen.
Man sieht hieraus wohl , dass ich eine Aesthetik von Unten selbst zu den wesentlichsten Vorbedingungen der Aufstellung einer Aesthetik von Oben rechne; und da ich, bei der bisher unzuläng- lichen Erfüllung dieser wie andrer Vorbedingungen dazu, den Weg von Oben eben so wenig klap, sicher und erfolgreich einzu- schlagen vermöchte, als ich ihn bisher eingeschlagen finde, so werde ich vielmehr durch strenge Einhaltung und Verfolgung des Weges von Unten ein Scherflein zu dieser Erfüllung beizutragen suchen, womit ich zum Voraus alle wesentlichen Vortheile desselben in Anspruch nehme, ohne den, in dessen Wesen liegenden, Nachthei- len entgehen zu können. Den blossen Gefahren desselben zu ent~ gehen, darauf soll wenigstens das Streben gerichtet sein.
Wohl kann man fragen , ob sich nicht die Vorzüge und Vor- theile beider Wege dadurch vereinigen lassen^ dass man den Gang von Unten mit Ideen von Oben beleuchtet oder nach Principien von Oben richtet. Das klingt allerdings schön, und wirklich wird der Weg von Unten neuerdings mehrfach so begangen , oder der Weg von Oben selbst in diesem Sinne verstanden. Nun werden die allgemeinsten Formal principien des Denkens und Forschens der Aesthetik von Unten wie von Oben mit allen Gebieten der Forschung gemein bleiben; im Uebrigen aber möchte es auch hier mit der Aesthetik wie mit der Physik sein , die bisher noch durch jedes Licht, wodurch die Naturphilosophie sie zu klären
und zu führen versucht hat, verwirrt und geirrt worden ist. Wer Licht erst sucht, und der Weg von Unten ist ein Weg solchen Suchens , kann diesen Weg nicht mit schon fertigem Lichte be- leuchten wollen.
Als wesentliche Aufgaben einer allgemeinen Aesthetik sind meines Erachtens überhaupt zu bezeichnen : Klarstellung der Be-^ griffe, welchen sich die ästhetischen Thatsachen und Verhältnisse unterordnen, und Feststellung der Gesetze, welchen sie gehorchen, wovon die Kunstlehre die wichtigsten Anwendungen enthält. Die Behandlungsweisen der Aesthetik von Oben aber haben Vorzugs- weise nur die erste Aufgabe vor Augen gehabt, indem sie die Er- klärung der ästhetischen Thatsachen aus Gesetzen durch eine solche aus Begriffen oder Ideen zu ersetzen statt zu ergänzen suchen.
In der That , sieht man die meisten unsrer Lehrbücher und dllgemeinen Abhandlungen über Aesthetik an, — die meisten aber verfolgen den Weg von Oben, — so bilden Erörterungen und Strei- tigkeiten über die richtige Begriffsbestimmung der Schönheit, Erhabenheit, Hässlichkeit, des Angenehmen, Anmuthigen, Komi-^ sehen. Tragischen, Lächerlichen, des Humors, des Stils, der Ma- nier, der Kunst, der Kunstschönheit und Naturschönheit, Unter- ordnungen des Einzelnen unter diese Begriffe , Eintheilungen des ^esammten ästhetischen Gebietes aus dem Gesichtspuncte dersel- ben, den Hauptinhalt der Darstellung. Aber damit erschöpft man doch nicht die Aufgabe der Aesthetik. Denn bei Allem, was uns ( ästhetisch angeht, wird die Frage nicht blos die sein: welchem Begriffe ordnet es sich unter, an welchen Platz stellt es sich im System unserer Begriffe — man hat das allerdings zu fragen , es gehört zur klaren Orientirung in unserm Erkenntnissgebiet«; — aber die am meisten interessirende und wichtigste Frage wird / doch immer die bleiben: warum gefällt oder missfällt es, und wiefern hat es Recht zu gefallen oder zu missfallen ; und hierauf lässt sich nur mit Gesetzen des Gefallens und Missfallens unter Zuziehung der Gesetze des Sollens antworten , wie sich auf die Frage : warum bewegt sich ein Körper so und so und wozu haben wir ihn zu bewegen , nicht mit dem Begriff und einer Eintheilung der verschiedenen Bewegungsweisen , sondern nur mit Gesetzen der Bewegung und Betrachtung der Zwecke , worauf sie zu rieh- len, antworten lässt. Und so lange sich die begrifflichen Er-
VIftruQgen der Aestbetik nicht mit einer Erklärung durch Gesetze erfüllt haben, bleiben sie ein hohler Rahmen.
Auch in der Weise der Begriffsbestimmungen selbst aber unterscheidet sich der Weg von Oben von dem hier einzuschlagen- den Wege von Unten. In letzterem Wege kommt die begriffliche Bestimmung blos darauf zurück, den Sprachgebrauch festzustellen, \ind, wo er schwankt, sich über Wahl und Weite desselben zu erklären, so dass man wisse, um was es sich bei der sachlichen Untersuchung bandelt, ohne aber in der Begriffsbestimmung das Resultat solcher Untersuchung vorwegzunehmen oder in Wesens- bestimmungen vorweg einzugehen, womit es leicht ist, Klarheit und AUgemeinverstandlichkeit zu erzielen; indess der Weg von Oben die Wesensfrage gleich aus dem Begriffe und im Begriffe zu beantworten sucht, biemit aber die Schwierigkeit einer klaren Feststellung der obersten Begriffe auf alle abgeleiteten Begriffe überträgt.
Unter den Deutschen hat die Bearbeitung der Aestbetik im Wege von Oben in Abhängigkeit von Kant, Scbelling, Hegel weit das Uebergewicht über die Bearbeitung von Unten erbalten und bis jetzt noch bebalten. 'Mit den Einflüssen jener Philosophen aber fangen neuerdings mehr und mehr solche von Herbart, Schopen- hauer, Hartmann an sich zu mischen ; andrerseits aber doch auch die Aestbetik , sei es noch unter philosophischem Einflüsse oder in mehr selbstständiger Richtung und Entwicklung auf den Weg von Unten mit einzulenken (Harlsen , Kirchmann , KOstlin , Lotze, Oersted, Zimmermann) ; und ist diess schon theils nicht in so reiner Durchführung, als ich bei voriger Charakteristik im Auge hatte, theils nur in beschränkter Ausführung geschehen , so kann man doch, nicht mehr sagen, dass dieser W^eg bei uns überhaupt ver- bissen sei. Dazu kommen dann noch schätzbare empirische Unter- suchungen der Neuzeit in ästhetischen Specialgebieten als von Brücke, Helmboltz, Oettingen u. a."^); endlich kunstkritiscbe Be- trachtungen in Fülle, die sich mehr oder weniger nach einer oder der andern Seite neigen , auf was Alles jedoch ausführlicher ein-
*) Zeising, obwohl in der Hauptsache der Richtung von Oben huldigend, kann dabei insofern nicht vergessen werden , als er die philosophische Be- gründung des göidnen Schuitts durch eine empirische zu ergänzen und zu unterstützen gesucht bat.
zugehen hier nicht die Absicht, und nach historischen Hauptbe- ziehungen auf die Geschichlsdarstellungen der Aestbetik von Lotze und von Zimmermann zu veni^eisen ist.
n. Vorbegriffe.
Mit schwierigen philosophischen und theologischen Yorbe- griffen, worin die Aestbetik von Oben ihre Begründung sucht, haben wir erklärtermassen weder anzufangen noch wird uns die Folge darauf fuhren ; was wir aber von Erklärungen in unserm Sinne für die Folge brauchen, wird auch die Folge bringen. In- zwischen giebt es manche Begriffe oder Worte zur Bezeichnung von Begriffen, ohne deren Gebrauch man in Besprechung ästheti- scher Verhältnisse überhaupt keinen Schritt thun und den Begriff der Aestbetik selbst nicht klar stellen kann , worüber es doch gut sein wird, einige Erklärungen vorauszuschicken, da die Ge- brauchsweise dieser Begriffe weder im Leben noch in der Wissen- schaft ganz fest steht. Nun gilt es jedenfalls anzugeben , wie wir unserseits sie brauchen wollen. Der enge Zusammenhang aber, in welchem die ästhetischen Gi^undbegriffe mit den praktischen und darunter ethischen stehen , wird von selbst darauf führen, mit Erklärungen über die ersten solche über die letzten zu ver- binden, und bis zu ge\\issen'Gränzen auf die Beziehung der Ethik zur Aestbetik selbst einzugehen.
4) Gefallen und Missfallen, Lust und Unlust.
Wir sagen überhaupt, dass uns etwas gefällt oder miss- fällt, je nachdem es, unserer Betrachtung oder Vorstellung dar- geboten, derselben einen lustvollen oder unlustvollen Charakter eriheilt. Die Lust, die wir unmittelbar am Wohlgeschmack einer Speise empfinden, das Lustgefühl der Kraft und Gesundheit ist noch nicht das Gefallen daran, wohl aber die Lust der Vorstellung, dass wir etwas Angenehmes schmecken , geschmeckt haben oder schmecken werden, wie der Vorstellung, dass wir gesund und
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he\ guten Kräften sind. In diesen Fällen ist es die Lust der gegen- ständlichen Vorstellung von innern Zuständen, welche den Be- griff des Gefallens bestimmt; — und jedenfalls gestattet der Sprachgebrauch , den Begriff des Gefallens auch hierauf anzuwen- den — in andern Fällen kann die gegenständliche Vorstellung, woran die Lust des Gefallens hängt, unmittelbar durch äussere Wirklichkeit selbst erweckt werden, so bei dem Gefallen an einem Gemälde, einer Musik.
Hienach hängt der Begriff des Gefallens und Missfallens we- sentlich vom Lust- und Unlustbegriffe ab , und die Untersuchung der Bedingungen des Gefallens und Missfallens fällt theils un- miltelbar mit solchen der Lust und Unlust zusammen, theils führt sie auf solche zurück.
Herbart (Lehrb. z. Eiol. in d. Philos. § 82, ges. W. I. 429) überhebt sich einer Erklärung der Begriffe des Gefallens und Missfallens dadurch, dass er ihnen eine ursprüngliche Evidenz beimisst , was mir nicht triftig scheint, sofern jene Begriffe noch eine Rückführung auf andre Begriffe gestalten, denen erst eine solche Evidenz beizulegen ist. Dabei schliesst er innere Zustände von dem Gebiete dessen, worauf der Begriff des Gefallens anwendbar ist, aus, indem er sich u.a. in dieser Hinsicht äus.seri : »Der Sprachgebrauch wird verwirrt, wenn jemand sagt : der Geruch derHyacinthe gefällt mir besser als der Geruch der Lilie. Denn bei dem Ausdrucke es ge- fällt wird etwas das da gefällt, als etwas bestimmt vor Augen zustellendes vorausgesetzt. Niemand aber kann den Geruch einer Blume, der eine Em- pfindung in ihm ist, Andernmittheilennochdarauf alsauf einObject der Betrachtung hinweisen.« — Hiermit aber scheint mir der Sprachgebrauch statt geklärt vielmehr nur motiv- und wirkungslos eingeschränkt zu werden. Un- streitig liegt in dem Lustcharakter, welcher der Betrachtung eines innern Zustandes wie eines äusseren Objectes beiwohnen kann, etwas Gemeinsames, was eine gemeinsame Bezeichnung fordert, und da der Sprachgebrauch den Ausdruck Gefallen dafür eingeführt hat, liegt kein Grund vor, ihn auf die eine Seite zu beschränken. Auch wird Herbart nicht hindern können , dass man nach wie vor nicht nur Gefallen am Gerüche einer Blume, Geschmacke einer Speise, sondern auch am Ergehen in irgend welcher lustvollen Vor- stellung finde.
Lust und Unlust selbst, rein und abstract von allen Neben- bestimmungen gefasst, sind einfache , nicht weiter analysirbare Bestimmungen unsrer Seele , die aber nicht so abstract in Wirk- lichkeit vorkommen, wie sie nach dem uns zukommenden Ver- mögen der Abstraction gefasst werden kennen , sondern nur als Mitbestimmungen oder Resultanten , wenn man will Funktionen, «niulrer Seelenbestimmungen, denen sie einen Charakter ertbeilen
und wodurch sie einen Charakter empfangen. Je nach Art ihrer MiibesUmniungen oder ursächlichen Momente unterscheidet man dann verschiedene Arten der Lust und Unlust. Die Lust am Wohlgeschmack einer Speise ist insofern eine andre, als an einem angenehmen Gerach , die Lust bei Betrachtung eines schönen Ge- mäldes eine andre, als bei Anhören einer schönen Musik, die Lust des Gefühles sich geliebt zu wissen, eine andre, als sich geehrt zu wissen, die Lust an irgend einer activen Beschäftigung eine andre als an irgend einem receptiven Eindrucke. An sich bleibt Lust Lust, wie öold Gold bleibt; sie kann aber wie das Gold in ver- schiedenste Verbindungen eingehen und aus verschiedensten Ver- bindungen begrifflich ausgeschieden werden.
In der That, wäre es nicht so — hier und da aber hat man bestritten, dass es ein überall mit sich identisches Wesen der Lust gehe, — woher das BedUrfniss einer gemeinsamen Bezeichnung dafür in allen jenen Fällen , wenn nichts Identisches dabei zu be- zeichnen wäre. Ja halte man nur die vorigen und beliebige andre Fülle des Vorkommens der Lust den eben so oft vorkommenden Fällen der Unlust gegenüber, so wird man bei allen Unterschieden, die auf jeder Seite für sich bestehen, doch empfinden, dass jede Seite der andern gegenüber etwas Gemeinsames behält, was wir nun eben als Lust und Unlust daraus abstrahiren und einander gegenüberstellen können.
Mit der Einfachheit und Reinheit , in welcher man den Lust- begriff fasst, hängt die Weite seiner Verwendbarkeit zusammen. Es ist mit ihm in dieser Hinsicht wie mit einem reinen Destillate. Alles, was das Destillat von vorn herein mitnimmt, beschränkt seine Verwendbarkeit, obschon es nur in seinen Verwendungen geniessbar und brauchbar wird. Also destillire man auch so zu sagen den Lustbegriff zum Behufe seiner allgemeinsten Verwend- barkeit von vorn herein rein ab aus Allem , worein er eingeht, fasse ihn allgemein und rein, los von jeder specialen, jeder Neben- beiiehung nach Ursache, Folgen, Art, Höhe, Stärke, Güte. Unter- scheidungen, Besonderungen desselben werden sich von selbst finden nach Massgabe, als auf seine Mitbestimmungen und Be- ziehungen eingegangen wird, hiemit auf concrete Arten oder Fälle der Lust oder Unlust die Rede kommt.
Was Lust und Unlust in reiner Fassung an sich selbst sind, lässt sich überhaupt durch keine Beschreibung, sondern nur durch
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innere Aufzeigung derselben klar machen. Fühle sie, so weisst du es; mehr lässt sich zu ihrer letzten Klarstellung nicht sagen ; das hängt an ihrer einfachen Natur. Hingegen lässt sich viel von den Ursachen, FoJg^n, Beziehungen derselben sagen und wohl auch Erklärungen derselben danach geben, die doch ihre letzte Klarheit immer nur durch inneres Aufzeigen dessen , was wir un- mittelbar als Lust und Unlust aus allen concreten Vorkommnissen derselben identisch herausfühlen, erhalten. Dass aber ein solch' Aufzeigen derselben in etwas innerlich Klarem oder in vorigem Wege leicht klar zu Machenden möglich ist, giebt auch allen Begriffen, die sich von ihnen abhängig machen lassen, einen klaren Kern.
Wir nennen Lust und Unlust und biemit das Gefallen und Missfallen, worein sie eingehen, um so höher geartet oder legen ihnen einen um so höhern Charakter bei, in einem je höheren geistigen Gebiete sie Platz greifen, oder an je höhere Verknüpfun- gen , Beziehungen , Verhältnisse sie sich knüpfen ; am niedrigsten die , die sich an einfache sinnliche Eindrücke knüpft. So ist die Lust und biemit das Gefallen an einem harmonischen Accorde höher geartet als an einem einfachen reinen Tone, an einem musi- kalischen Satze höher als an einem einfachen Accorde, an der einheitlichen Zusammenstimmung eines ganzen Musikstückes höher als an einem einfachen Satze.
Im gemeinen Leben verwechselt man leicht Höhe mit Stärke der Lust, ist geneigt, Lust blos in niederm Sinne mit der Neben bestimmung einer gewissen Stärke oder Lebhaftigkeit zu fassen , und blos concreto Arten der Lust , wie sie sich im Leben nun eben darbieten, vor Augen zu haben. Doch ist höhere Lust im obigen Sinne nicht immer die stärkere oder grössere ; denn es kann jemand grössere Lust an einem einfachen sinnlichen Genüsse als an einer richtigen Erkenntniss haben; es ist aber auch die Freude an einier richtigen Erkenntniss so gut Lust als die Lust am sinnlichsten Genüsse, und das schwächste Gefühl der Befriedigung oder des Behagens noch so gut unter den Lustbegriif zu bringen als das stärkste , will man anders einen gemeinsamen Begriff für das Gemeinsame in air dem haben, den man doch braucht. Und wenn im gemeinen Leben das Bedürfniss über concreto Fassungen der Lust und Unlust hinauszugehen, nicht gross ist, so kann man sich doch demselben selbst hier nicht ganz entziehen; um so
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weniger hat sich ihm die Wissenschaft entziehen können , wonach der Lustbegriff in der Psychologie unbedenklich in jener vollen Weite und Allgemeinheit gebraucht wird , welche an seiner Abs- Irahirbarkeit in reinster Fassung hangt , und welcher sich mit der niedersten Lust auch die htk^hstgeartete unterordnet, weil es solcher Fassung zur Stellung allgemeinster Gesichtspuncte bedarf, bis wohin das Bedttrfniss des gemeinen Lebens nicht reicht.
Manche haben , um den beschränkenden Nebenbedeutungen zu entgehen, welche der gemeine Gebrauch des Wortes Lust leicht mitführt, für den allgemeineren Gebrauch andr^ Worte , als wie Wohl, WohlgefUhl, Glück, Glückseligkeit vorgeschlagen oder vorgezogen. Das ändert in der Sache nichts; nur fügen sich diese Worte der sprachlichen Verwendung nicht gleich gut als Lust, und können ohne ausdrückliche Erklärung eben so wenig oder im Grunde viel weniger zur Bezeichnung des allgemeinst verwendbaren Begriffes dienen. Diess hindert nicht , sie da , wo sich^s sprachlich schickt, dafür oder in Abhängigkeit davon zu ge- brauchen f wie oft genug von uns geschehen wird , da sie jeden- falls in Abhängigkeit vom Lustbegriffe stehen.
Dass man vorzugsweise geneigt ist, Lust in niedrem Sinne zu verwen- den, macht sich z. B. in Worten wie lustig, Lustbariceil, Lüsternheit, Lüste, Wollust geltend. In dieser Neigung liegt allerdings ein nicht zu vericennen- der und nicht zu*untersch&tzender Uebeistand für den Gebrauch des Wortes Lust in jenem weitesten Sinne, der mit der niedersten die Lust von höchstem Charakter unter i^ich fasst, da sich ihm leicht unwillkübrlich die engere und niedere Bedeutung unterschiebt. Böte nur die Sprache in ihrem Vorrath ein genügendes Ersatzmittel dafür dar. Nun aber widerstrebt der Ausdruck Lust doch nicht geradezu jener weitesten Fassung, und kann man selbst im gewöhnlichen Leben wohl noch von einer Lust an göttlichen Dingen , einer Lust an Erforschung der Wahrheit, am Wohlthun u. s. w. sprechen ; aber wie sollte man von einem Wohlgefühl oder einer Glückseligkeit daran spre- chen. Diese sprachliche Unbequemlichkeit beim Gebrauche irgendwelcher Ersatzmittel für den Ausdruck Lust und der in der Psychologie schon accep- tirte Gebrauch desselben in grösster Weite lässt mich auch in der Aestheiik denselben im Ganzen vor andern Ausdrücken vorziehen , ohne doch damit deren Gebrauch überall auszuschliessen.
Insofern nach Vorigem aus allen noch so verschiedenen Arten der Lust wie Unlust etwas Identisches als Lust oder Unlust abs- trahirbar ist, lässt sich voraussetzen, dass auch in allen verschie- denartigen Ursachen der Lust wie Unlust etwas Identisches als letzter allgemeiner wesentlicher Grund der Lusl wie Unlust ent-
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halten ist; aber sei es, dass wir es auf physischer, psychischer oder psychophysischer Seite suchen, ist es bis jetzt noch nicht gefunden, oder wenigstens kein klarer Ausdruck dafür gefunden, obwohl man verschiedene dafür versucht hat (als wie Harmonie, innere Wesensfdrderung] , die doch mehr das Gesuchte als das Gefundene bezeichnen. Herbart sucht tiefer zu gehen; ich muss es aber seiner Schule überlassen, der ich nicht angehöre, sich damit zu befriedigen. Von einer psychophysischen Hypothese, die ich selbst aufgestellt*) und für sehr möglich halte, halte ich doch hier nicht nOthig zu sprechen , da es sich hier nicht um Psycho- physik handeln wird. Natürlich kann der letzte Grund der Lust, welches er auch sei , nur in uns gesucht werden , und was von Aussen solche in uns wecken soll , kann es nur insofern , als es diesen innern Grund ins Spiel setzt.
Kennten wir aber auch diesen allgemeinsten letzten inneren Grund, so wäre damit doch nicht erspart, den besonderen inneren und äusseren UrsSiehen der Lust und Unlust nachzugehen, Gesetze ihrer Entstehung unter besondem Verhältnissen aufzusuchen ; wie man von der Wärme zwar weiss, dass sie überall auf raschen Schwingungen der KOrpertheilchen beruht, aber mit dieser Kennt- niss noch kein Schwefelhölzchen anzünden und keine Dampf- maschine heizen kann.
Beides, Lust und Unlust, fasst man unter dem Namen Ge- fühle zusammen. Insofern jedoch dieser Name sonst auf man- cherlei Seelenzustände oder Seelenbestimoiungen angewandt wird, welche nicht auf klare Vorstellungen oder Begriffe zu brin- gen , ohne Rücksicht ob Lust oder Unlust dabei ins Spiel kommt, kann man Lust und Unlust zur bestimmteren Unterscheidung ästhetische Gefühle nennen.
2) Aesthetischei praktische und theoretische Kategorieen. Schön, Gut,
Wahr. Werlh. Interesse.
Allgemein gesprochen strebt der Mensch nach Glück, sei es, dass man Lust oder Lustbedingungen unter Glück versteht; zieht daher auch allgemein gesprochen die Lust der Unlust, die grössere der kleineren Lust, die kleinere Unlust der grösseren Unlust vor.
*) In den »Ideen zur Schöpfuifigsgeschichtea.
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und übertragt diess auf die Bedingungen der Lust und Unlust ; in- dem er mehr oder weniger mit der Gegetiwart auch die Folgen bedenkt. Bei dem grossen Interesse , welches hiemach der Lust* und Unlustertrag der Dinge und Verhältnisse für ihn hat, findet er aber auch Anlass, Begriffe und Ausdrtkcke in Bezug darauf zu bilden.
Nun giebt es manche Begriffe und mithin Ausdrücke , welche auf die Dinge und Verhältnisse nach Massgabe bezogen werden, als sie einen gegenwärtigen oder unmittelbaren Lust* oder Unlustertrag gewähren, so nach der Lustseite angenehm, anroulhig; ansprechend, lieblich, reizend, niedlich, hübsch, schön u. s. w. , denen eben so viele nach der Unlustseite ent- sprechen. Beide fassen wir als ästhetische Kategorieen zu- sammen ufld unterscheiden sie als positive und negative. Andere giebt es , welche sich auf den Lust^ und Unlustertrag der Dinge und Verhältnisse mit Rücksicht auf den Zusammen- hang und die Folgen derselben beziehen, sofern diese ihrer- seits einen lustvollen oder unlustvollen Charakter tragen können, die Rücksicht auf den gegenwärtigen Ertrag dabei nicht ausge- schlossen, sonach der Lustseile : vortheilhaft, nützlich, zweck- mässig, gedeihlich, heilsam, segensreich, werthvoll, gut u. s. w., denen als positiven wiederum nicht minder viele negative nach der Unlustseite entsprechen. Beide fassen wir als praktische Kategorieen zusammen, sofern sie vorzugsweise für die Richtung unsers Handelns von Belang sind.
Von vom herein, ohne schon die vorigen Bestimmungen über die beiderlei Hauptkategorieen vor Augen zu haben , könnte man etwas Räthselhaftes in ihrem Verhältnisse finden. Gewiss erschei- nen nach vorgreiflicher Ansicht die positiven ästhetischen Katego- rieen verwandter mit den positiven als mit den negativen prakti- schen, entsprechend bei Vertauschung von positiv und negativ. Man wird angenehm und schön vielmehr mit nützlich und gut, als mit schädlich und schlimm auf dieselbe Seite legen wollen , und doch kann etwas Angenehmes sehr schlimm, etwas Unangenehmes sehr gut sein. Wie reimt sich das? Sehr einfach , wenn man auf die obigen Bestimmungen zurückgeht. Der gegenwärtige Luster- trag kann ja von einem grösseren Unlustertrag , der gegenwärtige Unlustertrag von einem grossem Lustertrag in Folgen (Überboten werden. Die gemeinsame Beziehung der beiderlei Kategorieen zu
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Lust und Unlust verrath sich zwar schon von vorn herein dadurch, dass beide einen entsprechendem Gegensatz des Positiven und Negativen darbieten, als der Lust.